“Ich rechne prinzipiell damit, dass das Gegenüber keine meiner Fragen beantworten möchte”

Morgenshow-Moderator und Politikexperte Christian Trinkl ist zwar meist gut gelaunt, so mancher Politiker bringt ihn dennoch (zumindest innerlich) zum Kochen. Im Talk mit Inside Media verrät er, wie er mit „schwierigen“ Interviewpartnerinnen und -partnern umgeht.

Von Sebastian Puchinger

© Radio Arabella

Christian, du arbeitest bei Radio Arabella. Möchtest du kurz erläutern, was genau du dort machst?

Ja, klar! Mein Name ist Christian Trinkl, ich bin Morgenshow-Moderator bei Radio Arabella in Wien und kümmere mich dort neben der Unterhaltung auch um die politische Berichterstattung.

Dann hast du bestimmt schon etliche Politikerinnen und Politiker interviewt.

Ja, das habe ich! So richtig spannend wird es demnächst wieder, da werde ich die Interviews für die anstehende Nationalratswahl führen.

Wie sieht dein Arbeitsalltag als Morgenshow-Moderator bei Radio Arabella aus?

Das besondere an meinem Job ist, dass er sehr früh morgens beginnt. Das heißt: Ich stehe früh auf und sende dann ab 5 Uhr den kompletten Vormittag live. Meine Aufgabe ist es, die Hörerinnen und Hörer abzuholen und sie durch ihren Vormittag zu begleiten. Dabei versuche ich auf einen guten Mix aus Musik, Mit-mach-themen und aktueller Berichterstattung zu setzen. Bei der Berichterstattung liegt der Hauptfokus klar auf Land und Region, das Weltgeschehen wird eher kompakt gehalten.

Wie werden bei euch die Themen bestimmt?

Dafür treffen wir uns jeden Tag zur Redaktionssitzung. Dort bringt jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter, sogar unsere Praktikantinnen und Praktikanten, zwei bis drei Themenvorschläge mit. Diese werden dann innerhalb von 10 Sekunden gepitcht. Dann diskutieren wir darüber, welche Themen wir nehmen und welche eher nicht. Dabei versuchen wir einen guten Mix aus zeitlos und aktuell zu schaffen.

Und welche Vorschläge werden da so in den Raum geworfen?

Im Grunde alles Mögliche. Man muss es schaffen, zu erklären, warum genau dieses Thema gerade jetzt so relevant ist. Und es muss ein möglichst konkretes Thema sein. Der Begriff “Wetter” ist noch lange kein Thema.

Vergleicht ihr euch auch mit anderen Sendern?

Auf jeden Fall! Nach jeder einzelnen Morgenshow sogar.

Wie macht ihr das?

Dafür gibt es bei uns das sogenannte “Feedvorwort”. Da hören wir uns dann immer unsere aktuellste Morgensendung punktuell noch einmal an und versuchen herauszufinden, wo Verbesserungspotential liegen könnte. Dann schauen wir: Worüber haben andere Radiosender berichtet? Welche Themen waren bei denen relevant? Es ist immer interessant im Nachhinein zu sehen, ob wir ungefähr die gleichen Themen hatten. Dann schauen wir natürlich noch, wie verschiedene Sender bestimmte Themen aufbereitet haben. Am meisten freuen wir uns natürlich, wenn wir feststellen, dass wir einen guten Riecher für ein interessantes Thema hatten, aber wir sind auch so ehrlich und sehen es ein, wenn andere Morgenshows lebendiger wirken.

Was unterscheidet euch von anderen Radio-Morgenshows?

© Radio Arabella

Eine Besonderheit ist, dass wir aktuell eher weggehen von diesen typischen Expertentalks. Das machen nämlich alle anderen Sender und auch das Fernsehen ständig. Wir versuchen vermehrt “echte” Menschen reden zu lassen. Zum Beispiel reden wir beim Donauinselfestival nicht mehr mit den Veranstaltern, sondern nur noch mit Leuten, die tatsächlich dort hingehen, um zu feiern. Die Ausnahme bildet hier natürlich die politische Berichterstattung.

 

Stichwort: Politik. Wie sieht bei euch die politische Berichterstattung aus?

Im Herbst werde ich die Politikinterviews zur Nationalratswahl führen. Zudem kümmerte ich mich auch um einige Interviews für diverse Landtagswahlen. Und auch zwischendurch führe ich immer wieder Interviews mit Politikerinnen und Politikern.

Was ist konkret für die im Herbst anstehende Nationalratswahl geplant?

In der Morgenshow werden die Kandidaten bei uns im Studio sein und die Fragen von Kindern beantworten. Der Grund dafür ist, dass vormittags immer alles locker sein muss. Am Abend werden dann die “richtigen” Interviews mit den einzelnen Kandidaten geführt. Natürlich auch live im Studio. Ohne Kinder. Da geht es um die wirklich relevanten Themen.

Wie führst du Interviews mit Politikerinnen und Politikern?

Indem ich prinzipiell damit rechne, dass der jeweilige Politiker sowieso keine meiner Fragen beantworten wird. Da bin ich mittlerweile Realist. Aber ganz ehrlich: Vorbereitung ist das Wichtigste.

Wie bereitest du dich richtig vor?

Ich lese mich in das Thema, welches ich im Interview behandeln möchte, ein. Und zwar so sehr, dass ich mich über das jeweilige Thema gut unterhalten kann. Dann erstelle ich einen groben Fragenkatalog. Da ich beim Radio bin, brauche ich möglichst kurze und klare Antworten. Darauf muss ich als Fragesteller achten. Im Anschluss überlege ich mir noch, wie ich das Interview führen möchte. Also ob es eher offen oder konfrontativ sein soll.

Wo liegen die Unterschiede?

Offene Interviews werden oft als Schwäche des Interviewers ausgelegt. Das sehe ich aber nicht so. Ich finde es zum Beispiel gut, wenn ich hergehe und einfach offen Frage: “Wie stehen Sie zum Thema XY”? Oft erhält man so ehrlichere und bessere Antworten, als wenn ich direkt konfrontativ einsteige. Weiters finde ich es immer super, überraschend in Interviews hineinzugehen.

Überraschend?

Ja. Ich finde es schrecklich, dass bei Kickl zum Beispiel immer gleich am Anfang eine konfrontative Frage aufkommt. Meist ein rechtsextremer Vorwurf. So mauert er direkt. Ich finde es besser, überraschend einzusteigen. Etwa mit der Frage: “Ich habe gehört, Sie haben eine neue Babykatze, Herr Kickl?” Das verunsichert einen Politiker und schafft gleichzeitig einen lockeren, entwaffnenden Gesprächseinstieg. So kann man den ohnehin gut geschulten Politikern oft die besseren Antworten entlocken.

Wie wählst du die Interviewthemen aus?

Es muss natürlich etwas mit der jeweiligen Partei oder dem jeweiligen Politiker zu tun haben. Dann überlege ich mir, was unsere Hörerinnen und Hörer gerne wissen würden. Danach richte ich die Fragen aus. Ich spreche also keine Nischenthemen, sondern nur breitenwirksame Inhalte an.

Wie würdest du eure Politikberichterstattung beschreiben?

Radio Arabella ist nicht die ZIB 2 im Radio. Wir sind kein Konfrontationsmedium. Das heißt aber nicht, dass es ein streichelweiches “Ach sie haben eine schöne Haartönung”-Interview wird. Wir suchen uns die Themen raus, die viele Menschen betreffen und interessieren.

Abschließend: In welcher Rolle siehst du dich als Journalist?

Mein Verständnis von Journalismus ist, dass ich als Journalist nicht der Richter sein muss. Ich bin kein Verhörspezialist, auch wenn das manchmal so rüberkommt. Wir sollen zwar Sachen aufdecken und thematisieren und niemanden mit einer Lüge davonkommen lassen, aber am wichtigsten ist es einfach, dass ich als Journalist die Interessen der Menschen in den Vordergrund stelle. Ich muss mir also die Frage stellen: Für wen mache ich das alles und was interessiert diese Leute?

Zur Person:
Christian Trinkl ist Radiomoderator bei Arabella. Neben der Morgenshow kümmert er sich auch um die Politikberichterstattung. Er leitete die Gespräche zu etlichen Landtags- und Nationalratswahlen. Auch im kommenden Herbst wird er die Interviews anlässlich der Nationalratswahl führen.